ROLAND REITER | Sissy
Bildraum 07
4. Dezember 2018 bis 10. Januar 2019
Sissy, verwöhnter Pudel, Titelfigur und jüngste Kreation, hat Roland Reiter aus dem goldenen Zwinger entlassen und nach dem Motto "Mehr ist mehr" inklusive Neongummiball auf ein Skateboard gesetzt, während zwei aufgeblasene Stierhäute als Hüllen ihrer einstigen Potenz durch den Bildraum 07 schweben. Echthaar, Silikon, Glitzer und Glamour: Reiter kombiniert Elemente der klassischen Bildhauerei mit organischen Materialien und lässt seine Arbeiten zwischen Absurdität, Psychodrama und Humor changieren. Die Skulpturen und Objekte eröffnen alternative Erfahrungshorizonte, lassen neben Skurrilem auch Vertrautes anklingen und wecken Assoziationen an Popkultur, Alltagskitsch und Fetischkult.
Was der Künstler selbst als Theatralisierung bezeichnet, manifestiert sich in der gezielten Überformung von Körpern hin zu einem Realismus mit subversivem Potential. Roland Reiter ist zugleich Kritiker und Komplize der kulturellen Kolonisierung des Körpers als Abbild des Verlangens, der Fragmentierung und der Abgründe unserer Gesellschaft. Die lebensgroße Drag-Queen Sendi, aus deren Augen ein grellblaues „very happy“ blitzt, ist Figur des Übermaßes und der Entbehrung, des Stolzes und der Erniedrigung zugleich. In ihrem Körper manifestiert sich ein öffentlicher und sozio-kultureller wie auch intimer und psycho-spiritueller Kampf um Identität. Zwischen Gewöhnlichem und Groteskem, Eros und Ekel, kurz im Spiel mit der Dualität aller Dinge, erforscht Roland Reiter die Fallstricke menschlicher Beziehungen und die komplexen Realitätsverschiebungen innerhalb unserer Transformationsgesellschaft.
Als Rezipienten können wir daher nie ganz sicher sein, ob ein Tierkadaver den Tod per se oder Sendi‘s Stroboskopgeblinzel wirklich den Zustand des Glücks kommunizieren soll. Auch Reiters Serie von Haarobjekten oszilliert zwischen zwei Polen: Sie vermittelt einerseits kühle Härte und metallische Beständigkeit, reflektiert jedoch andererseits die mit dem Haar kulturell assoziierten, in sich wiederum ambivalenten Gefühle des Stolzes und der Scham. Roland Reiters Arbeiten funktionieren nicht als definierte, separate oder kategoriale Einheiten. Gerade in einer Zeit, die sich nach klaren Botschaften sehnt, entziehen sie sich explizit der Eindeutigkeit. "Dadurch erzeugt der Künstler eine Spannung, die den eigenen Voyeurismus bedient. Man könnte paradoxerweise sagen: Fasziniert wende ich mich ab. Oder: Befremdet und distanziert wende ich mich zu". - Teresa Präauer
Mehr Informationen auf der Homepage von Roland Reiter
Lesung & Finissage: Mittwoch, 9. Jänner 2019, 19 Uhr
Daniel Wisser, Schriftsteller, liest u.a. aus "Königin der Berge" (Österreichischer Buchpreis 2018, Johann-Beer Literaturpreis 2018).
Dauer der Ausstellung: 5. Dezember 2018 – 10. Jänner 2019
22. Dezember 2018 - 2. Jänner 2019 geschlossen