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Foto: Günter Brus, Wiener Spaziergang, 1965 | aus Mappe mit 16 s/w Fotos Fotodokumentation: Ludwig Hoffenreich | Foto © Fotoatelier Laut, Wien

Günter Brus | 1938-2024

Günter Brus, am 27. September 1938 in der Steiermark geboren, schockte in den 1960er Jahren gemeinsam mit Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler die Öffentlichkeit mit Körperkunst, die als Wiener Aktionismus weltbekannt wurde.

In seinen Aktionen in den 1960er Jahren in Wien setzte Brus seinen eigenen Körper und seine Körperflüssigkeiten als Material für seine Kunst ein und ging dabei an die Grenzen des körperlich und psychisch Erträglichen – sowohl für sich selbst als auch für die Zuschauer. Die ritzende Rasierklinge diente am eigenen Körper als Ersatz für den Zeichenstift, auch Exkremente wurden bei den Aktionen eingesetzt. Brus ging von Aktion zu Aktion immer einen Schritt weiter.

Günter Brus thematisierte in den Aktionen das Leid durch gesellschaftliche Regeln und Zwänge der späten 1960er Jahre, aber auch durch physische Verletzlichkeit und Ausgesetztheit. Zugleich stellte er die geltenden künstlerischen Konventionen auf den Kopf, indem er seinen Körper zum Medium der Kunst erklärte. Als legendär gilt auch sein „Wiener Spaziergang“, in dem er sozusagen als lebendiges Gemälde durch die Wiener Innenstadt ging.

Die Beteiligung an der Aktion „Kunst und Revolution“ an der Universität Wien (1968), bei der sich Brus ritzte, seinen Harn trank und sich mit seinem Kot beschmierte, während er die Bundeshymne sang, ging schlecht für den Künstler aus: Er wurde wegen „Verletzung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit“ zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Brus entging der Haft durch seine Flucht nach Berlin. Dort gründete er mit Oswald Wiener und Gerhard Rühm die „Österreichische Exilregierung“ und deren „Regierungszeitschrift“ namens „Die Schastrommel“. Seinen Aktionismus beendete er im Jahr 1970 mit der „Zerreißprobe“ in München.

Nach der Abwendung vom Aktionismus 1979 verlegte Brus seine Botschaften auf Papier. Es begann mit der Mappe „Irrwisch“ (1970–1972), und von da an stand die Zeichnung – und vor allem seine „Bilddichtung“-Zyklen – im Mittelpunkt seines Schaffens. Brus war auf den wichtigsten internationalen Kunstausstellungen wie der Documenta (1982 und 1992) oder der Biennale Venedig (1980) vertreten.

Brus‘ Name ist untrennbar mit dem Wiener Aktionismus verbunden. Er wollte sich allerdings in keine kunsthistorische Schublade stecken lassen, sein Werk geht weit darüber hinaus. Zuletzt umfasste sein ausuferndes Oeuvre – beginnend bei den frühen informellen Bildern, der Körperkunst der 1960er Jahre – Zigtausende an der Grenze von Literatur und Bildender Kunst angesiedelte „Bilddichtungen“ sowie Arbeiten für die Bühne.

Quelle: red/ORF.at


Günter Brus gehört zu den künstlerischen Ausnahmeerscheinungen des 20. Jahrhunderts. Er hat den Rahmen gesprengt, jenen der Gesellschaft wie auch den der künstlerischen Darstellung, und damit die Geschichte der Kunst für immer verändert. Mit unbeirrbarer Standhaftigkeit und Ausdauer hat er uns mit seinem visionären Schaffen irritiert, aufgewühlt und bereichert. Wir werden ihn immer in Erinnerung behalten und seine Kunst im Schaffen gegenwärtiger Performancekünstler:innen fortgeschrieben wissen“, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer.

Quelle: APA, 12.2.2024