Simon Lehner - Flavia Mazzanti - Michaela Putz | hosted by Bildraum & Ars Electronica Linz
Eröffnung: Dienstag, 7. September 2021, 19.30 Uhr
Salzamt | Obere Donaulände 15, Linz
Eröffnungsrede: Gerfried Stocker, Ars Electronica
DJ-Line Up: 20-22 Uhr
In Kooperation mit dem Ars Electronica Festival präsentiert der Bildraum im Salzamt Linz drei aufstrebende künstlerische Positionen: Simon Lehner, Flavia Mazzanti und Michaela Putz. Die Ausstellung umfasst eine zum Ars Electronica Festivalthema kuratierte Auswahl an Video-Arbeiten, Fotografien, Vorstudien und Skizzen, eine Raumintervention sowie eine VR-Installation.
Ausstellungsdauer: 7. - 24. September 2021
Öffnungszeiten während des Ars Electronica Festivals: 8. bis 12.9., jeweils von 15-19 Uhr
Öffnungszeiten ab dem 12.9. bis 24.9.: Mo-Fr: 13-18 Uhr
sowie nach Vereinbarung unter: Tel: +43 732 7070 1957 | E-Mail: salzamt@mag.linz.at
Kuratiert von: Esther Mlenek (Bildrecht) & Michaela Wimplinger (Ars Electronica) & Holger Jagersberger (Salzamt)
Short
Simon Lehners Werke sind eng an einen autobiografischen Kern geknüpft. In dem Versuch erlittene Gewalterfahrungen im Spannungsfeld von Bewusstheit und Unterbewusstsein zu (re)konstruieren alterniert seine Kunst zwischen erinnerter und situativ wahrgenommener Wirklichkeit. Der für den diesjährigen Kardinal König Kunstpreis nominierte Künstler beschäftigt sich im Salzamt mit unterschiedlichen Medien, die sich vorwiegend um Iterationen eines fotografischen Prozesses drehen. Die Künstlerin und Architektin Flavia Mazzanti untersucht anhand des experimentellen Films und immersiver Medien sozial-räumliche Zusammenhänge im Dialog mit philosophischen Themen des Neuen Materialismus und des Post-Anthropozentrismus. Als Mitglied des künstlerisch-technologischen Entwicklerteams des Projektes "Neuro-Traces" (Manuel Bonell, Flavia Mazzanti, Michael Bonell, Imani Rameses) verbindet sie zudem Brain Computer Interfaces (EEG) und Virtual Reality zu einer Installation, die in der Ausstellung interaktiv erfahren werden kann. Die Künstlerin Michaela Putz beschäftigt sich mit den Implikationen einer auf die Oberflächen digitaler Kommunikationstechnologien reduzierten Gesellschaft. Mit den Mitteln der Fotografie, Malerei und der digitalen Nachbearbeitung untersucht sie den Einfluss der zunehmenden Digitalisierung auf die Wahrnehmung von intimen Beziehungen und unserer unmittelbaren Umwelt. Für die Präsentation im Salzamt übersetzt sie ihre Kunst in eine raumgreifende Intervention.
Artists Statements
SIMON LEHNER
The mind is a voice, the voice is blind
The mind is a voice, the voice is blind (2019- ongoing) untersucht den kognitiven Dialog zwischen Erinnerungen und dem Bewusstsein. Ausgehend von persönlichen Erfahrungen des Künstlers, reflektiert die Arbeit über häusliche und emotionale Gewalt, Trauma und psychische Gesundheit.
Die Serie strukturiert und kombiniert verschiedene Medien, wobei diese aus Iterationen von fotografischem Ausgangsmaterial entstanden sind. Die Prozesse untersuchen gleichzeitig den Grenzbereich zwischen generierten und linsenbasierten Fotografien. Aus der Umwandlung persönlicher Fotoarchive in neu interpretierte digitale Räume, sogenannten „Echochambers“, generiert Simon Lehner mittels Versatzstücken und assoziativen Momenten einzelne Leitmotive: Traumlandschaften alternieren mit akustischen oder visuellen Echos, Alltagsgegenständen und Selbstportraits. Die Erzählstränge verschmelzen und wirken – wie es auch dem Wesen des Traumas entspricht – bei gegenwärtiger Erfassung immer auch zeitlos. „Bei Trauma oder traumatischen Episoden wird man von wiederkehrenden Bildern des Traumas immer wieder umgeben, aber man ist sich dessen nicht bewusst. Was hier durch den Raum schwebt, sind die Reste des Eingabematerials, die die Algorithmen, mit denen ich die Videoarbeiten erstellt habe, nicht verwenden konnten – digitale Trümmer veralteter Daten oder Denkfehler der Software. Die Arbeit zieht eine Parallele zu unserem kognitiven Erinnerungsprozess, da die Algorithmen denselben Zyklus durchlaufen. Sie generieren neue Bilder und Versionen mit dem immergleichen, bereits vorhandenem Archivmaterial. Der Algorithmus steckt also tatsächlich in traumatischen Bildern fest, die ihn blind machen.“ Lehners Objekte, Figuren und Umgebungen formen und bilden so eine Parallele zu in-sich-selbst- gefangener Erinnerung. Durch die Abwandlungen der fotografischen Prozesse, wie der Entwicklung eines 3D-animierten Alter Egos, oder der Generierung des Kinderzimmers, versucht die Ausstellung gelebte Erfahrungen und Traumata greifbar zu machen und markiert gleichzeitig Simon Lehners Versuch eine Formensprache zu entwickeln, in der das Medium selbst eine emotionale Ebene bildet.
Simon Lehner, *1996 in Wels / Oberösterreich, lebt und arbeitet in Wien.
Studium a.d. Kunstuniversität Linz und der Universität für angewandte Kunst, Wien.
Zahlreiche Ausstellungen und Festivalbeteiligungen im In- und Ausland, darunter: FOAM Talents, Photo Arles, König2 by Robby Greif Wien, Westlicht Museum Wien, Bildraum 01 Wien, Leopold Museum Wien, Paris-Photo, Berlin Photoweek, Photo Vogue Milan, Format Festival Derby, Unseen Amsterdam.
2021 nominiert für den Kardinal König Kunstpreis
2020 Ö1 Talentestipendium sowie FOAM Talent Award
2018 Paris-Photo Carte Blanche Award.
MICHAELA PUTZ
Extinction Ballads Pt.1: Floral Opulence | Gloom Of Mnemosyne | LETHE
Kann etwas, das verloren ist, digital fortbestehen? Dieser Frage geht Michaela Putz in ihren Arbeiten nach. Ein Auszug aus der Serie Extinction Ballads Pt.1: Floral Opulence (2021) wurde für die Ausstellung als Raumintervention konzipiert und hängt - einem langen Social-Media-Feed ähnelnd - als Baldachin im Raum und vom Gewölbe herab. Die digitalen Arbeiten beinhalten Found-Footage Material kürzlich ausgestorbener oder vom Aussterben bedrohter Pflanzen. Michaela Putz übersetzt die Zeugnisse einstiger Vielfalt in eine verklärende Barockästhetik, unterbrochen nur von den schmierigen Spuren des oft belanglosen Scrollens, wie wir sie auf unseren Tablets und Smartphones finden. Die Künstlerin verweist in der Arbeit auf ein auffällig invasiv-destruktives Element menschlichen Handelns sowie auf die evidenter werdende Zwecklosigkeit flüchtiger „Gesten“. Die Themen Found-Footage, Archiv und (zukünftige) Erinnerungen sind ebenso Teil der
Serien LETHE Und Gloom Of Mnemosyne. Sie beziehen sich auf den antiken Mythos über die Flüsse Lethe und Mnemosyne, deren Wasser beim Trinkenden entweder Vergessen oder Erinnern bewirken konnte. Gloom Of Mnemosyne (2019) stellt direkt vom Screen abfotografierte Unterwasserfotografien aus dem Privatarchiv der Künstlerin dar. Putz referenziert darin auf den schier endlosen Strom der in der Cloud gespeicherten Bilder, der heute für uns Gedächtnislücken mit virtuellen Erinnerungen auffüllt. Die Arbeit basiert auf Daten, Pixeln, Lichtpunkten, kurz auf Rohdaten, die eine konkrete Qualität und Substanz besitzen, also gar nicht mystisch und vage sind, wie der erste Blick auf die Arbeit vermuten lässt. Diese prozesshafte, wandelbare Natur unseres Gedächtnisses ist - mit umgekehrten Vorzeichen - auch in der Serie LETHE (2019-2020) wiederzufinden. Digital dokumentierte Teile von Porzellanfiguren, Glas und anderen Objekten aus der Kindheit und Jugend der Künstlerin wurden zu neuen Objekten umgeformt, die auf Prozessen der Manipulation und der digitalen Bildhauerei aufbauen. Sie stehen für eine fiktive oder dissoziierte Erinnerung und somit für das Vergessen der ursprünglichen Form. In beiden Serien erfasst Michaela Putz das Paradoxe unseres Gedächtnisses: So nutzt die Künstlerin beinahe malerische Abstraktion als einen von Anhaltspunkten freigeräumten Raum, in dem Erinnerungen wieder aufleben können und impliziert im Gegenzug bereits die Auflösung der eigentlichen emotionalen Relevanz in der zwar konkreten, aber dennoch künstlichen Rekonstruktion.
Michaela Putz, *1984 in Oberwart / Burgenland, lebt und arbeitet in Wien.
Studium a.d. Universität für angewandte Kunst, Wien sowie der Kommunikations- und Politikwissenschaft, Uni Wien. Zahlreiche Ausstellungen und Festivalbeteiligungen im In- und Ausland, darunter: Künstlerhaus Wien, Landesgalerie Burgenland, a ilha Lissabon, Galerie Rudolf Leeb Wien, U10 Art Space Belgrade (280A), Parallel Vienna, FOTO WIEN, Ars Electronica Festival 2018 (Bildrecht), Espacio de Arte Contemporáneo, Montevidéo, Unseen Amsterdam (280A), Athens Photo Festival.
2019 START Stipendium des BKA
2018 Förderpreis für Bildende Kunst Land Burgenland
FLAVIA MAZZANTI
Sympoietic Bodies | Neuro-Traces
Flavia Mazzanti konzentriert sich auf post-anthropozentrische und postdigitale Beziehungen zwischen Körpern, Umgebungen und Gesellschaften, die von architektonisch-philosophischer Theorie über Medienkunst bis hin zu experimentellem Filmemachen reichen. In der Ausstellung stellt sie neben Vorstudien und fotografisch-ausgearbeiteten Stills den hybriden Kurzfilm Sympoietic Bodies vor, ausgezeichnet mit dem Artist-in-Residence-Programm „Pixel, Bytes + Film“ für Medienkunst des ORF III. Der Film befasst sich mit der Vielfalt und der Fragmentierung von physischen Repräsentationen des weiblichen Körpers. Bezugnehmend auf die US-amerikanische Anthropologin und Feministin Anna Tsing, spricht Flavia Mazzanti darin über eine Welt, die aus in sich verstrickten Situationen, aus "Assemblagen", besteht. Damit will sie sowohl Abhängigkeitsdynamiken zwischen einzelnen Elementen aufzeigen, als auch ein komplexes Ganzes einfangen, das in einem scheinbar autonomen, sich verselbstständigendem Fluss existiert. Als Mitglied des künstlerisch-technologischen Entwicklerteams des Projektes Neuro-Traces - bestehend weiters aus Manuel Bonell, Michael Bonell und Imani Rameses - verbindet Flavia Mazzanti zudem Brain Computer Interfaces (EEG) und Virtual Reality zu einer Installation, die interaktiv erfahren werden kann. Als Antwort auf die aktuelle Entwicklung der gebauten Umwelt – basierend auf kapitalistischen Strategien und von Menschen verursachten binären Trennungen – erfasst das Projekt den virtuellen Raum als einen Bereich, in dem man mit fließenden Konfigurationen experimentieren kann, die über physische und soziale Grenzen hinaus gehen. Der Raum wird nicht mehr als statischer Behälter wahrgenommen, sondern als dynamische Empfindung von Volumen, Dichte und Bewegung. Durch die Auswahl geeigneter EEG-Kanäle, die bestimmten Regionen des Gehirns entsprechen und eine Fokussierung auf das Circumplex-Modell zur Bestimmung von Valenz und Erregung, klassifiziert Neuro-Traces in Echtzeit Gehirnzustände, die mit Entspannungs- und Ruhestimmungen korrelieren. Ziel des Entwicklerteams ist es, ein Gleichgewicht zwischen der abstrakten virtuellen Formation und dem affektiven Empfinden des Wohlbefindens der teilnehmenden Person zu erkennen und herauszufinden, wie wir als Individuen psychologisch auf Räume reagieren, wie wir unsere Umgebung individuell beeinflussen und von ihr beeinflusst werden.
Flavia Mazzanti, *1994 in Umbrien / Italien, lebt und arbeitet in Wien.
Studium a,d. Universität der bildenden Künste Wien; TU München sowie der Akademie f. Architektur Mendrisio, CH. Zahlreiche Ausstellungen und Festivalbeteiligungen im In- und Ausland, darunter: EPFL Labs Lausanne - ALICE and LDM, das weisse haus Wien, Tricky Women -Tricky Realities 2021 - Bildraum 07 Wien, Cinemateca Festival Ancona, PH21 Gallery Budapest, Architekturzentrum Wien.
2020 Filmförderung der Stadt Wien - Kultur,
2020 Gustav Peichl Preis für Architekturzeichnung,
2020 Pixel, Bytes + Film. Winner Artist in Residence des ORF III
Eine Kooperation von Bildraum, Salzamt Linz und dem Ars Electronica Festival 2021
Atelierhaus Salzamt