Bildrecht und Künstler:innenverbände: Entwurf zur Urheberrechtsnovelle brüskiert Bildurheber:innen
Die Urheberrechtsgesellschaft Bildrecht und Interessensvertretungen von bildender Kunst, Fotografie, Design und Architektur fordern praktikable Regelungen
PRESSEINFORMATION der Bildrecht | 8. November 2021
Wien – Die Verwertungsgesellschaft Bildrecht und zahlreiche Interessensvertretungen aus Bildender Kunst, Fotografie, Design und Architektur fühlen sich vor den Kopf gestoßen vom Entwurf zur österreichischen Urheberrechtsnovelle, die noch dieses Jahr beschlossen werden soll. Denn der Gesetzesentwurf entspricht nicht der Intention der EU Richtlinie 2019/790 (Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, auch DSM-Richtlinie genannt). Mit dieser europäischen Regelung sollen endlich die großen Internetplattformen wie Facebook, YouTube, Instagram, Pinterest, Twitter etc. in die Pflicht genommen werden und den Urheber:innen faire und angemessene Vergütungen für die Nutzungen ihrer Werke in Social Media garantiert werden.
Konkret fordern die betroffenen Interessenvertretungen: Die aktuelle Urheberrechtsnovelle soll eine praxistaugliche Bestimmung enthalten, die es einer staatlich autorisierten Verwertungsgesellschaft ermöglicht, die Lizenzen für die großen Internetplattformen zu regeln. Stattdessen will der österreichische Gesetzgeber, dass jede:r Fotograf:in und jede:r bildende Künstler:in, jeder:r Designer:in, jeder:r Architekt:in sich um jede Verwendung jedes einzelnen seiner/ ihrer Bilder kümmern muss.
„Der aktuelle Novellenentwurf muss unbedingt noch repariert werden! Er ignoriert die spezifischen Anforderungen des Bild-Bereiches, der sich von anderen Kunstsparten wie Musik und Film, deren Verwertung über Major Labels bzw. große Filmproduktionsfirmen läuft, deutlich unterscheidet“, kritisiert Günter Schönberger, Geschäftsführer der Bildrecht, und erklärt: „Das System der Einzellizenzierung gegenüber den mächtigen Plattformbetreibern, wie es der Gesetzesentwurf derzeit vorsieht, ist für den fragmentierten Bild-Bereich nicht praxistauglich. Die beträchtliche Zahl von jährlich über 1 Milliarde urheberrechtlich relevanter Bildnutzungen auf Social-Media-Plattformen in Österreich kann unmöglich von einzelnen Bildurherber:innen lizenziert werden und erfordert eine Rechtebündelung. Zudem widerspricht es den europarechtlichen Grundsätzen, wenn die vom Bild-Content massiv profitierenden Social-Media-Plattformen für eine Reihe großzügiger freier Werknutzungen und sogenannter „Bagatellnutzungen“ (Bilder bis zu einer Größe von 250 kB) den Urheber:innen keine Vergütung zahlen müssen. In Deutschland müssen die Plattformen die Urheber:innen dafür angemessen vergüten, wodurch auch Uploadfilter verhindert werden können.“
Am besten funktioniere die Verwertung dieser immensen Social-Media-Nutzungen im Bild-Bereich über die staatlich autorisierte Verwertungsgesellschaft. Diese ist repräsentativ für ihre Kunstsparte, hat eine starke Verhandlungsposition gegenüber den mächtigen Plattformen und kann so angemessene Vergütungen für die Künstler:innen erzielen.
Die Massenlizenzierung von Bildern auf Social-Media-Plattformen über die Verwertungsgesellschaft ist ganz im Interesse der Bildurheber:innen: „Die Bildrecht ist die österreichische Verwertungsgesellschaft für den Bild-Bereich. Sie nimmt bereits verlässlich und erfolgreich Primär- und Sekundärrechte bei anderen Formen der Bild-Verwertung wahr und und repräsentiert mehr als 365.000 österreichische sowie internationale Bildurheber:innen. Es ist für die einzelnen Bild-Urheber:innen wohl kaum möglich, den Upload ihrer Bilder auf Social-Media-Plattformen nachzuverfolgen“, so die bildende Künstlerin, Fotografin, Fotogaleristin, Fotobuch-Verlegerin und Fotoagentur-Inhaberin Regina Maria Anzenberger.
Der aktuelle Gesetzesentwurf geht, so Schönberger, an der Praxis der Bildnutzung vorbei und läuft den Interessen aller Beteiligten zuwider – ob Urheber:innen, Social-Media-User:innen oder große Internet-Plattformen. Ein Interessensausgleich zwischen diesen Gruppen soll Uploadfilter verhindern und den Urheber:innen für die Nutzungen ihrer Werke angemessene Vergütungen bringen: „Selbstredend haben die großen Internet-Plattformen diese Vergütungen zu zahlen, diese generieren mit dem Content der Urheber:innen hochprofitable Werbe-Umsätze.“ Das bekräftigen auch mehrere Stellungnahmen der Bildrecht und der mit ihr verbundenen Interessensvertretungen zum Gesetzesentwurf, die dem Justizministerium und dem Parlament übermittelt wurden.
Im Art. 18 schreibt die EU-Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten, also auch Österreich, sicherzustellen haben, dass Urheber:innen das Recht auf eine angemessene und verhältnismäßige Vergütung haben. Der in Wien und Stuttgart arbeitende Urheberrechtsanwalt Philip Jakober präzisiert: „Der EU-Richtlinien-Vorgabe eines Rechts auf angemessene und verhältnismäßige Vergütung kommt der österreichische Gesetzgeber im aktuellen Gesetzesentwurf mittels einer lediglichen Soll-Bestimmung nicht gebührend nach. Sollte der Gesetzgeber die angemessene Vergütung nicht als stringente, unstreitbare Verpflichtung formulieren, so kommt das europarechtlich vorgegebene Recht auf angemessene und verhältnismäßige Vergütung in der österreichischen Praxis nicht an. Dies hätte zur Folge, dass die österreichische Urheberschaft trotz der klaren europarechtlichen Vorgaben weiterhin mit unangemessenen Vergütungen für die vielfachen Nutzungen ihrer Werke das Nachsehen hätte.“
Der Markt im Bild-Bereich ist durch die Vielschichtigkeit seiner Sparten äußerst fragmentiert. Die Bildrecht und die unten angeführten Interessensvertretungen fordern daher vom Gesetzgeber insbesondere:
- die gesetzliche Verankerung eines kollektiv wahrgenommenen Direktvergütungsanspruchs gegen die Plattformbetreiber für milliardenfache Bildnutzungen (alleine für Österreich über 1 Milliarde urheberrechtsrelevanter Bilder pro Jahr auf Social-Media Plattformen, die sonst einzeln (!) zu lizenzieren wären).
- vergütungspflichtige „Bagatelle“- und „Preflagging“-Regelungen, welche über Verwertungsgesellschaften wahrzunehmen sind.
- eine im Sinne der DSM-Richtlinie umgesetzte Regelung erweiterter kollektiver Lizenzierungen (Außenseiterwirkung), um gegenüber den übermächtigen Plattformbetreibern angemessene Vergütungen für sämtliche Bildurheber:innen erzielen zu können.
Günter Schönberger ortet in Politik und Verwaltung durchaus Verständnis für die Anliegen des Bild-Bereiches: „Dass die Verwertung von Bildern ganz anderes läuft als bei Film und Musik, ist den legistischen Akteur:innen bewusst. Für den Bild-Bereich passende Regelungen wären im Gesetz europarechtskonform unterzubringen – man muss es nur wollen und entsprechend umsetzen.“
Die in den Stellungnahmen formulierten Adaptionen zum Gesetzesentwurf werden von der Bildrecht und den mit ihr verbundenen – nachfolgenden – Interessenvertretungen gefordert:
- WKO Bundesinnung der Berufsfotografen
- Rechtsschutzverband der Berufsfotografen Österreich (RSV)
- Syndikat der Pressephotographen und Pressebildagenturen Österreichs
- IG Bildende Kunst
- Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs
- Künstlerhaus Wien
- Wiener Secession
- Verband österreichischer Galerien moderner Kunst
- designaustria & designforum Wien
- Bundessektion Architekt:innen in der Bundeskammer der - Ziviltechniker:innen
Stellungnahme der Bildrecht auf der Parlaments-Website:
https://www.parlament.gv.at/PtWeb/api/s3serv/file/fb9d2845-1f09-4ed0-80e3-9e9df68b6ca6