PreisträgerInnen 2022| 2020 | 2019 | 2018 | 2017 | 2016

bisherige PreisträgerInnen

Judith Fegerl, Constantin Luser, Anne Schneider, Roman Pfeffer, Sofie Thorsen und Angelika Loderer wurden bisher mit dem Dagmar Chobot Skulpturenpreis ausgezeichnet.


JUDITH FEGERL
PREISTRÄGERIN 2022

Judith Fegerls Skulpturen, architektonische Interventionen und Raumzeichnungen verhalten sich wie Speicherorte unsichtbarer Energie. Ihr „Co-Laborieren mit einer unsichtbaren Kraft“, wie Fegerl ihre Strategie in der Handhabung von Strom beschreibt, fordert die Substanz des Ausstellungsraumes heraus – oftmals mit unvorhersehbaren Ergebnissen. Ihre Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Phasen der Erzeugung, der Verteilung und der Speicherung von Energie verweisen dabei auf unsere Elektrizitätsabhängigkeit – einen auf vielen Ebenen spürbar werdenden Spannungszustand, den die Künstlerin in die klassischen Leiter Aluminium, Kupfer und Messing übersetzt und geschickt in ein energetisches Gleichgewicht zu bringen versucht.

Judith Fegerl wirft zentrale Fragen des Anthropozäns auf, insbesondere inwiefern sich das Verhältnis zwischen Mensch und Technologie wandelt und welche Spuren Energie in unserem Leben hinterlässt. Diese Faszination am Wesen der Energie verdeutlicht sich in einer Vielzahl skulpturaler Arbeiten, etwa, wenn Judith Fegerl Stromleitungen kontrolliert überlastet und mit deren glühend heißem Draht Brandspuren auf Galeriewände zeichnet (cauter, seit 2012), oder wenn sie schwere Edelstahlplatten einem galvanischen Bad und somit einer elektrochemischen Transformationen unterzieht (series of electric shocks, 2021). Immer gilt: das eigentliche Objekt ist niemals (nur) das, was man sieht. Es ist das, was zwischen den Platten, Stäben und Stromleitern passiert, was Judith Fegerl antreibt und, wie Martin Kugler bezeichnend zusammenführt: „Ihr Werk ergibt sich aus der Kombination des Potenzials, das in der Energie steckt und den physischen Artefakten, in denen diese Kräfte wirksam werden.“

Judith Fegerl, *1977 in Wien. Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien, Klasse Peter Kogler und Birgit Jürgenssen sowie an der Universität für angewandte Kunst Wien, Klasse Karel Dudesek, Thomas Fürstner und Peter Weibel. Sie lebt und arbeitet in Wien.

Webpage Judith Fegerl

Fegerl_moment+cauter_2017@Belvedere21.jpg


CONSTANTIN LUSER
PREISTRÄGER 2020

Constantin Luser, ein Pendler zwischen Mikro- und Makrostrukturen und mit Humor operierender Fallensteller, erschafft unter dem Deckmantel konstruierter Funktionalität assoziationsreiche Kunst: Chiffren für (organische) Vorgänge jenseits der Realität. Linien, Wörter, Symbole, abstrakte und figurative Elemente verdichten sich in seinen Arbeiten zu mitunter bizarren Bildwelten zwischen Wirklichkeit und Imagination. Lose von der Decke hängende Drahtskulpturen geben als bloße Linien im Raum schemenhafte Andeutungen und Werke wie etwa das Trommeliglu, der Vibrosaurus oder das Rotationsquintett laden das Publikum ein, sich selbst musikalisch zu betätigen.

Der Künstler kombiniert in seinem Werk die dreidimensionale „Drahtzeichnung“ und die raumgreifende Wandzeichnung mit der bespielbaren Musikskulptur, in der er Musikinstrumente verformt, erweitert und seine zeichnerische Welt in einen akustischen Denkraum übersetzt. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei die Linie und das Spiel mit Raum, Volumen und Zwischenräumen durch Lusers Schaffen. Sowohl Skulpturen aus Messingdraht als auch seine aktuellen, auf Spiegeln ausgeführten Glasmalereien, visualisieren eine zeichnerische Gedankenwelt und die Weiterentwicklung der Werke von der Fläche in den Raum. So entstehen Raumzeichnungen, die in den Augen der Betrachtenden nochmals transformiert werden: Mit Blick auf die Objekte, im Umschreiten und Variieren der Blickwinkel, entstehen unzählige neue Linienkonstellationen und laden zum Erforschen eigener Sehgewohnheiten ein.

Constantin Luser *1976 in Graz. 1995-1999 FH Industrial Design in Graz, 1999-2001 Akademie der bildenden Künste, Wien, Konzeptionelle Kunst bei Renee Green, 1999-2003 Universität für Angewandte Kunst, Wien, Visuelle Medien bei Brigitte Kowanz. Lebt und arbeitet in Wien. www.constantinluser.com

_T1A0065.jpg


ANNE SCHNEIDER
PREISTRÄGERIN 2019

Für Anne Schneider ist die Skulptur Form gewordener Moment einer psychodynamischen Konstellation im Raum. In einer Kreuzung von Strategien der Minimal Art und der Arte Povera entwickelt sie serielle Artefakte aus Jute, Wachs, Beton oder Folien. Im Dialog mit dem Material werden Körperempfindungen und Wahrnehmungen formuliert und zu abstrakten, anthropomorphen oder modulartigen Skulpturen gebaut. Als skulpturale Äußerungen oder als „Ableger“ betrachtet Anne Schneider eine Vielzahl ihrer Arbeiten, die die Möglichkeit des Ablegens auch zulassen.

Ein Stapel Zeichnungen, ein Wasserglas oder ein Wollfaden, zählen zu jenen Dingen und Fundstücken aus ihrem Atelier, die sich in den Falten und Wölbungen der Skulpturen finden lassen. Schneiders Arbeiten sind psychologische Modelle und nonverbale Schilderungen individueller wie kollektiv erfahrener, prägender Augenblicke, die soziale und politische Klischees sichtbar werden lassen. Immer beschäftigt Anne Schneider dabei der physische und der psychische Raum. Die Suche nach seinen Bestimmungen bildet das Bindeglied der vielfältigen Präsentationen der Künstlerin, die von der klassischen Skulptur über Fotografie, Video und Malerei bis zur Rauminstallation reichen.

Anne Schneider, *1965 in Enns, 1986-1993 Studium der klassischen Archäologie, Universität Wien; 1992–1996 Studium der Bildhauerei bei Michelangelo Pistoletto an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Sie lebt und arbeitet in Wien.

anne schneider.jpg


ROMAN PFEFFER
PREISTRÄGER 2018

Maßnehmen, Dinge in Beziehung setzen und in der Vielfalt der vorgefundenen Welt scheinbar objektive und universale Parameter entdecken - diese Vorgänge treiben Roman Pfeffers Arbeiten voran. Mit formaler Strenge übersetzt der konzeptionelle Denker Alltagsobjekte wie Kochplatten, Wasserwaagen oder Kristallluster in mitunter bizarre Skulpturen und Objekte.

Roman Pfeffer zerstückelt, verdreht und sucht nach unerwarteten, strategischen Coups, die lineare Ordnungssysteme ad absurdum führen. „Man könnte jene Wege, die leicht funktionieren, weiterführen. Doch geht es mir stets darum, aufbauend auf dem Bestehenden, Neues zu entwickeln,“ so Pfeffer. Diese Aneignung und Umordnung beschreibt das Leitmotiv der Arbeit Helix Deconstructor (2016), in der Roman Pfeffer die ursprüngliche Form des 17,5m langen Sportruderboots der österreichischen Olympiamannschaft von 1972 in sechzehn Teile segmentiert und zu zwei spiralförmigen Skulpturenteilen arrangiert.

Neben der Auseinandersetzung mit skulpturalen Fragestellungen nach Materialeigenschaften, Formen und Oberflächenbeschaffenheit beschäftigt sich Roman Pfeffer seit 2013 in einer gleichnamigen Serie mit der Form des Mazzocchio, einer in der Renaissance üblichen Kopfbedeckung und darin explizit mit Fragen nach deren Geometrie und Berechenbarkeit.

Roman Pfeffer, *1972 in Vöcklabruck, 1996–2001 Akademie der bildenden Künste Wien; 1999–2000 Kent Institute of Art and Design, Canterbury (GB); 2016 – dato Member of the TransArts directorial team, Universität für angewandte Kunst Wien. Er lebt und arbeitet in Wien. www.romanpfeffer.com

03_Pfeffer_Roman.jpg


SOFIE THORSEN
PREISTRÄGERIN 2017

In ihren Werken setzt sich Sofie Thorsen mit den politischen, sozialen und kunsthistorischen Kontexten von Orten auseinander mit dem Ziel, ihre „stummen und verstummten“ Strukturen wieder zum Sprechen zu bringen. Ihre Methode erinnert an eine Spurensuche, die Sofie Thorsen von der Aneignung und Adaption vorgefundener Bilddokumente bis hin zu deren Auflösung führt. Mit ihren Arbeiten erforscht die Künstlerin formale, materielle und haptische Parameter, Formen und Körper und kombiniert in raumgreifenden Installationen die für ihren Skulpturenbegriff charakteristischen Materialien Stahl, Aluminium und Papier.

Ein Themenkomplex analysiert die Bereiche Skulptur, Architektur und Design in ihrem Verhältnis zu Gesellschaft und kommunaler Verantwortung. In der mehrfach präsentierten Werkserie Spielplastiken (2010–2016) rückt Sofie Thorsen ein bislang kaum gewürdigtes Phänomen der österreichischen Nachkriegszeit – bespielbare Skulpturen aus den 1950er Jahren – in den Mittelpunkt. Diese kleinen, abstrakten Utopien inmitten nüchterner Architektursprache greift die Künstlerin für ihre Installationen auf. Darin vergrößert sie Reprografien von Zeitdokumenten, eliminiert figurative Bestandteile, reduziert die Konstruktionen auf ihre Geometrie und Linearität. Die fragilen Papierobjekte auf den Metallgerüsten geben den Bildquellen ihre einstige skulpturale Präsenz zurück und geraten zu einem in den Raum gestellten, begehbaren Archiv der Formen.

In ihrer Werkserie Precious Things That Come Out of the Ground (2017) analysiert Sofie Thorsen mittels abstrakter Zeichenhaftigkeit die An- und Abwesenheit von zerstörtem und/oder geraubtem Kulturgut aus archäologischen Fundstätten. Auffällig ist auch hier die Gestaltung mit filigranem Papier, das Sofie Thorsen über die gebogenen Stahlrohre ihrer Installation mäandern lässt. Mit punktuellen Unschärfen und Unterbrechungen der skulpturalen Form irritiert die Künstlerin und betont damit unterschiedliche Ebenen und Formen der Realitätswahrnehmung. Sophie Thorsens Arbeiten eröffnen so ein Feld ambivalenter Sichtbarkeiten und changieren zwischen erkennbarer Realitätsabbildung und möglicher Fiktion.

Sofie Thorsen, *1971 in Århus, lebt und arbeitet in Wien. Sie ist Absolventin der Akademie der Bildenden Künste Wien und der Königlich Dänischen Akademie der Bildenden Künste Kopenhagen. Von 2005 bis 2009 lehrte sie an der Akademie der Bildenden Künste Wien. www.sofiethorsen.net

Bildschirmfoto 2019-10-18 um 16.44.19.png


ANGELIKA LODERER
PREISTRÄGERIN 2016

Angelika Loderer hat eine bildhauerische Praxis entwickelt, die das Gießen, Schöpfen, Schichten und Pressen diverser Materialien in freie, abstrakte bis gegenstandslose Formen überträgt. In der Kunstgießerei Loderer in Feldbach-Mühldorf aufgewachsen, arbeitet sie heute in Wien und im Familienbetrieb, der bereits Gunter Damisch, Ronald Kodritsch und Erwin Wurm als Produktionsort diente. Ausgehend von ihrer Beobachtung der Natur und der Freude am Material entstehen ihre Modelle aus Silikon und Gips, Negativformen, die mit Wachs ausgegossen, mit Gusskanälen versehen, schließlich im Ofen gebrannt und mit geschmolzener Bronze gefüllt werden. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch den spielerischen Umgang mit diversen Materialien aus und beschäftigen sich mit Fragen von Permanenz und Flüchtigkeit.

Das Ephemere in Loderers Arbeit verdeutlichte sich bereits in ihrer 2011 entstandenen Diplomarbeit Pinker Schnee, eine Installation, in der gepresster Sand auf Wäschestände, gefüllte Aquarien und eine Matratze stieß. Auch später entstandene Skulpturen aus Eiszapfen oder Gras, sowie Alu- und Bronzeabgüsse von verlassenen Maulwurfsgängen (Schüttlöcher, 2012) und Spechthöhlen (Untitled, Buntspecht, 2013) verfestigen das Vorübergehende sowohl in fragilen, als auch in massiven, traditionellen Materialien. Zu ihren Experimenten zählen auch Objekte aus gepresstem Quarzsand, die sie gelegentlich mit Fragmenten aus dem Bereich der abstrakten Malerei ergänzt (Untitled [With Dejan Dukic], 2014) und Materialcollagen, die gewöhnliche Dinge wie Plastik, Metall, Wasser oder Papier in eine skulpturale Form überführen (Waschmaschinenskulpturen, 2015).

Ob Angelika Loderer Sandobjekte baut oder Spechtbehausungen in Bronze gießt, ihre Arbeit pendelt dabei stets zwischen dem negativen und dem positiven Raum, zwischen dem Dauerhaften und dem Vorübergehenden. Für ihre Ausstellung Animate im Salzburger Kunstverein hat Loderer Pilzgeflechte, jene mysteriösere, ambivalente Substanz, für ihr Experiment zur Skulptur und der empfindlichen Verletzbarkeit des Lebens gewählt. Die aktuelle Arbeit bezieht sich einerseits kritisch auf unsere kollektive Zukunft und eröffnet zugleich einen künstlerischen Ausdruck, der Freude am eigenen Forschen und Erkunden hat. Durch das stete Ausreizen klassischer Bildhauertechniken schafft Angelika Loderer Skulpturen, die mit der die Ernsthaftigkeit der Form brechen, mit der Ästhetik des Alltäglichen spielen und einen tiefen prozesshaften Charakter offenbaren.

Angelika Loderer, *1984 in Feldbach, Steiermark, lebt und arbeitet in Wien. Sie ist Absolventin der Universität für Angewandte Kunst Wien (Klasse Erwin Wurm) und des Wimbledon College of Art, London, GB. www.angelikaloderer.at

Bildschirmfoto 2019-11-21 um 17.33.06.png