Dagmar Chobot Skulpturenpreis 2024

Nominierte 2024

2024 sind Thomas Feuerstein, Beate Gatschelhofer, Sophie Hirsch, Kris Lemsalu, Liesl Raff und Toni Schmale für den DAGMAR CHOBOT SKULPTURENPREIS nominiert.

2024 wird der mit 10.000 Euro dotierte DAGMAR CHOBOT SKULPTURENPREIS zum siebten Mal an eine/einen in Österreich arbeitende/n, zeitgenössische/n Bildhauer oder Bildhauerin vergeben. Der Skulpturbegriff erfasst heute neben klassischen Zugängen vermehrt experimentelle Ansätze, Installationen, performative sowie auch architektonisch definierte Arbeiten.

Der DAGMAR CHOBOT SKULPTURENPREIS 2024 wird von der Preisstifterin Dagmar Chobot und der Stiftungspartnerin Bildrecht am Donnerstag, dem 10. Oktober 2024 um 19 Uhr in Anwesenheit der Nominator*innen und Jurymitglieder im Leopold Museum Wien feierlich übergeben.



Thomas Feuerstein (*1968 in Innsbruck, AT)
Der Konzept- und Medienkünstler, Kunsttheoretiker sowie Autor Thomas Feuerstein verschränkt Erkenntnisse aus der Philosophie mit angewandter Wissenschaft und verhandelt seit den 1990er-Jahren Fragen existenzieller Grundparameter, nach dem Ursprung des Lebens, aber auch nach den Möglichkeiten autonomer Maschinen und allwissender Algorithmen. Sein Œuvre umfasst neben Skulpturen, Objekten und Zeichnungen vor allem aufwendige Versuchsanordnungen, z.B. CLUBCANNIBAL, ein raumgreifendes Labor, geschaffen für einen Organismus bestehend aus zehn Meter hohen Tentakelarmen aus Stahlrohren, Pumpen, Bioreaktoren und Glasbehältnissen, welcher 2018 im Kunstraum Dornbirn aus Gestein Fleisch produzierte. Auch Algen und Bakterien werden zu Kollaborateuren des Künstlers, indem sie als „Steinbruch und Meißel“ agieren. Eingegliedert in das Mehrphasenprojekt METABOLICA (2018 bis dato) wächst in einem umfangreichen Rohrsystem durch Photosynthese die Grünalge Chlorella vulgaris zu einem Hybrid aus Wal, U-Boot und Photobioreaktor heran (HYDRA, 2020 / MOBY DICK, 2023). An der Schnittstelle von Science-Fiction, Horror, Utopie und Dystopie setzt Thomas Feuerstein Kreisläufe der Möglichkeitsproduktion in Gang, die Unterscheidungen zwischen Natur und Kultur, Subjekt und Objekt dekonstruieren. Der Künstler geht so konsequent über das Symbolhafte und Ikonische hinaus und erschafft "Metabole", die nicht nur illustrieren und kommentieren, sondern auch handeln. Er lebt und arbeitet in Wien.



Beate Gatschelhofer (*1994 Bruck a.d. Mur, AT)
In Beate Gatschelhofers künstlerischem Schaffen steht die Neuinterpretation traditioneller keramischer Arbeitsprozesse sowie ein lyrischer Zugang zur Skulptur im Mittelpunkt. Immer wieder reizt die Künstler*in die Grenzen der Materialität aus, experimentiert mit Farben und transformiert alltägliche Dinge in narrative Elemente. Auch Fundstücke und aufgeschnappte Wortphrasen fließen in ihre mehrteiligen Installationen und modularen Plastiken ein. Beate Gatschelhofer erkundet wie materielle und sprachliche Konstrukte in Korrelation zueinanderstehen und macht sich in ihren poetisch-abstrakten Transkription Fragestellungen nach Identität und Verortung zu eigen. Ihre Formensprache, welche zwischen brüchig, weich, hart und stabil oszilliert, ermöglicht dabei komplexe und trickreiche Kombinationen: Weiße Porzellanplastiken erinnern an elastische Gummibänder, Skulpturen balancieren auf kaum wahrnehmbaren Standflächen, und eine von Seilen durchlöcherte keramische Form lehnt lässig an der Wand. Auch nostalgische Elemente spiegeln sich in der Verwendung von antiquierten Spielgeräten wider, welche Beate Gatschelhofer mit einer scheinbaren "Schaum"-Struktur aus Keramik und Porzellan überzieht. Diese Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialzuständen spiegelt Gatschelhofers Interesse am Fließenden und Veränderlichen wider. Momente der Instabilität und Transformation wechseln sich ab. Beate Gatschelhofer lebt und arbeitet in Linz.

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Sophie Hirsch (*1986 in Wien, AT)
Ausgehend von einer Faszination für die Körperlehren von Joseph Pilates ist Sophie Hirsch der engen Verbindung zwischen emotionalen und körperlichen Prozessen auf der Spur. Die Künstlerin untersucht Bewegungsabläufe sowie darin eingeschriebene soziale Codes und deckt das Robuste im Fragilen und vice versa auf. Dazu kombiniert sie ihre Objekte aus Silikon – welche Organisches, Muskelstränge, Faszien und Fetteinlagerungen evozieren – mit harten Materialien wie Stahlketten oder verchromten Oberflächen. Charakteristisch für Hirsch ist zudem die Art und Weise, wie sie die Betrachter*innen als konstitutive Bestandteile in ihre Arbeit integriert. Hirschs mit Akupressurmatten, Thera-Bändern, orthopädischen Kissen oder Faszienbällen versehenen Chaiselongues, Freischwinger und andere skurril bis brutal anmutende Sitzmöbel laden zum Austesten ein. Ihre Wandkonstruktionen aus Sprungfedern, wie bei „Public Intimacy“ (2023), animieren zur Rückenselbstmassage. Sophie Hirsch konzentriert sich auf den Zustand von innerer und äußerer Anspannung, der in ihren Werken als hautnahe Erfahrung und als bewusst wahrnehmbarer Moment zwischen einer potenziellen Erstarrung einerseits oder einer vitalen Exploration andererseits für ihre künstlerische Praxis von zentraler Bedeutung ist. Sie lebt und arbeitet in Wien.



Kris Lemsalu
(*1985 in Tallinn, EE)
Kris Lemsalu kombiniert in ihren Skulpturen, Installationen und Performances unterschiedliche Elemente wie menschliche und tierische Körperteile aus Keramik mit Fellen, Stoffen, Silikon und Fertigprodukten und erschafft eine Welt schamanischer Kraft und kollektiver Wiederbelebung. Mit szenografischem Humor vermengt sie archetypische Motive und folkloristische Geschichten mit feministischen Bezügen. Kris Lemsalu setzt handgefertigte und gefundene Objekte zu totemischen Skulpturen und halluzinatorischen Umgebungen zusammen, in welchen Geburt und Wiedergeburt wiederkehrende Themen darstellen. So spielte in ihrer Installation „Birth V-Hi and Bye“ für den Estnischen Pavillon bei der Biennale Venedig 2019 etwa die Vagina als Portal eine zentrale Rolle. Auch „Chará“ – eine als KÖR-Projekt realisierte, temporäre Skulptur am Graben in Wien 2023 – war zwar dem Kiefer eines Rentiers nachempfunden, erinnerte jedoch augenscheinlich an das weibliche Geschlecht. Lemsalu hat ihre meterhohe Skulptur mit Zähnen bestückt und verwies somit auf indigene Leseweisen der „vagina dentata“, in denen sie als Schutzsymbol gegen Vergewaltigung sowie männliche Dominanz fungiert. Kris Lemsalu setzt in ihren Inszenierungen Maskerade ein und führt die Betrachter:innen in die schrille Welt der Fantasie, verhandelt in dieser aber stets virulente Themen. Sie lebt und arbeitet in Tallinn und Wien.

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Liesl Raff (*1979 in Stuttgart, DE)
Die Skulpturen von Liesl Raff erforschen die Feinheiten und Grenzen physischer und sozialer Interaktionen durch eine tiefe Wertschätzung für eine breite Palette von Materialien und beharrliches Experimentieren. Raffs Werk ist geprägt von einer Semiotik der Materialien, die dort ansetzt, wo Worte zu versagen scheinen. In den letzten Jahren hat ihre künstlerische Praxis vor allem Naturkautschuk in einer Weise einbezogen, die es dem organischen Material ermöglicht, seine formverändernde Haltung zu offenbaren. In Liesl Raffs Arbeit geht es nicht darum, gegen die verwendeten Materialien anzukämpfen, sondern von ihnen zu lernen, Räume der Auseinandersetzung zu öffnen und schließlich die Distanz zwischen Werk und Betrachter*innen ganz aufzuheben. Im September 2024 verwandelt die Künstlerin im Rahmen der 15. Gwangju Biennale in Südkorea den ersten österreichischen Pavillon im LEEKANGHA Art Museum in ein installatives Bühnensetting mit voluminös drapierten Latexvorhängen, gedämpftem Licht und Soundkulisse. Die Ausstellung baut auf ihrem Projekt „Club Liaison“ auf, welches 2023 in Zusammenarbeit mit den Wiener Festwochen als Ausstellung, immersive Installation und Schauplatz für Live-Performances im fjk3 – Contemporary Art Space in Wien umgesetzt wurde. Dieser Aspekt wird in Gwangju durch die Zusammenarbeit zwischen österreichischen und südkoreanischen Performance-Künstler:innen weiterentwickelt. Sie lebt und arbeitet in Wien.



Toni Schmale (*1980 in Hamburg, DE)
Die oft monumentalen Werke von Toni Schmale aus Metall, Beton oder Gummi zeichnen sich durch eine dichte bildhauerische Sprache aus, welche Absurdität, Ambivalenz und Irritation mit einer gesellschaftskritischen Kommentarfunktion verbindet. Hochästhetisch abstrahiert changieren ihre Werke zwischen angewandten Objekten des Alltags, Maschinen und dem menschlichen Körper. Schmale repräsentiert das Dezentrale und die Vorstellung, dass auch die Skulptur nichts Festgeschriebenes ist. In ihrer Präsentation im Kunstraum Dornbirn im Frühjahr dieses Jahres begegnete die Künstlerin unserer komplexen und zunehmend dysfunktionalen Realität mit einer auf wenige systemische Grundelemente reduzierten Tankstelle (TANKE, 2024). Die schlanken Zapfsäulen gestaltete Toni Schmale aus starrem, silbergrauem und feuerverzinktem Stahl, welcher ihr als Materialisierung der ewigen Bewegungs- und Tatenlosigkeit diente. Mit ihrem radikalen Zugang zu Skulptur aktiviert Schmale die Bildhauerei für neue Produktionsweisen und Diskurse, die Fragen des Skulpturalen sowie gesellschaftliche Praxis und Gender gleichermaßen anstoßen. Sie wurde unter anderem mit dem Birgit-Jürgenssen-Preis und dem Msgr. Otto Mauer-Preis ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet in Wien.


NOMINATOR*INNEN 2024

Silvie Aigner (Chefredakteurin Parnass), Manuela Ammer (Kuratorin mumok Wien), Katrin Bucher Trantow (Chefkuratorin Kunsthaus Graz), Elsy Lahner (Kuratorin Albertina Wien), Genoveva Rückert (Kuratorin OÖ Landes-Kultur GmbH) und Christoph Thun-Hohenstein (Sektionsleiter Internationale Kulturangelegenheiten, BMEIA).

JURY 2024

Dagmar Chobot (Preisstifterin und Juryvorsitzende), Heike Eipeldauer (MUMOK Wien), Edelbert Köb (Kurator), Günter Schönberger (Geschäftsführer Bildrecht) und Hans-Peter Wipplinger (Direktor Leopold Museum Wien).